Hagelvermeidung und Cloud Seeding
Mission Wettermodifikation
Die Anwendungsbereiche des Cloud Seedings, d.h. der Wetter- und Wolkenmodifikation, sind vielfältig. Hauptsächlich wird es eingesetzt, um höhere Niederschläge in Form von Regen oder Schnee zu generieren und damit etwa die Süßwasserreserven oder die Wintersportbedingungen zu verbessern. Cloud Seeding kommt aber auch zum Einsatz, um Niederschläge zu reduzieren oder Hagelschäden zu vermeiden. Schließlich dient Cloud Seeding auch der Reduktion von Nebel und niedrig hängenden Wolken oder Smog, um den sicheren Betrieb von Flughäfen, Straßen, Tunneln und Industrieanlagen zu gewährleisten. Weltweit wird Cloud Seeding bereits in dutzenden von Ländern eingesetzt. Die globale Zunahme von Extremwetterereignissen hat dazu beigetragen, dass nicht nur die Klimaforschung, sondern auch die Möglichkeiten und Chancen der Wettermodifikation verstärkt in den Fokus gerückt sind.
Regenverstärkung und -unterdrückung
Mithilfe von Cloud Seeding kann die Niederschlagsmenge beeinflusst werden.
Aerosole in den Wolken dienen als Gefrier- oder Kondensationskerne, an denen sich Wasserdampf zu Regentropfen sammeln kann. Cloud Seeding besteht darin, künstliche Aerosole in Wolken einzubringen, um die Bildung von Regentropfen zu fördern. Zum Einsatz kommt in den meisten Fällen Silberjodid, da es von seiner kristallinen Struktur her Eis am ähnlichsten ist und bereits ab -4°C als effektiver Gefrierkeim arbeiten kann. Kommen die Silberjodid-Kristalle in Kontakt mit unterkühltem Wasser, bilden diese zusammen einen Eiskristall. Dieser wächst weiter, indem sich der umgebende Wasserdampf anlagert. Wolken können aber auch mit Trockeneis, flüssigem Propan oder flüssigem Stickstoff geimpft werden. Werden diese Substanzen ausgebracht, kühlen sie die umgebende Luft in einem solchen Ausmaß ab, dass sich spontan Eiskristalle aus dem Wasserdampf generieren.
Bei warmen maritimen Wolken, die zu niedrig sind, um unterkühltes Wasser zu enthalten, wird hygroskopisches Cloud Seeding angewandt. Die Wolke wird nicht durch das Einbringen künstlicher Gefrierkerne modifiziert, sondern über das Einbringen von Kondensationskernen (Salzen) wie Natriumchlorid oder Kaliumchlorid.
Schneeverbesserung und -unterdrückung
Durch Cloud Seeding lässt sich der natürliche Schneefall deutlich erhöhen, um die Süßwasserreserven zu erweitern oder die Bedingungen für den Wintersport zu verbessern. Aber auch eine Reduktion der Schneemenge ist möglich, um Schäden an Gebäuden zu vermeiden oder Lawinengefahren zu mindern.
Hagelvermeidung
Zur Verhinderung von Schäden an Pflanzen, Gebäuden, Maschinen, Autos oder Industrieprodukten wird die Bildung großer Hagelkörner unterbunden.
Wird Cloud Seeding zur Hagelabwehr eingesetzt, geht es darum, Gewitterzellen mit künstlichen Eiskeimen anzureichern. Durch die Erhöhung der Eiskeimkonzentration steht für jeden Gefrierkern nun weniger Wasser zur Verfügung, das sich anlagern könnte. Die Eiskeime können somit nicht so stark wachsen. Statt einiger großer Eiskristalle entstehen nun viele kleine, die auf dem Weg nach unten zur Erdoberfläche wieder schmelzen. Zudem kann durch das Einbringen künstlicher Eiskristalle frühzeitiger Niederschlag bewirkt werden. Der Wolke wird damit Wasser entzogen, das ihr dann nicht mehr für das Hagelwachstum zur Verfügung steht.
Nebel- und Smog-Auflösung
Durch Cloud Seeding können Nebel und tiefhängende Wolken beseitigt werden, um die Sicht zu verbessern und dadurch einen sicheren Betrieb von Flughäfen, Straßen, Tunneln und Industrieanlagen zu gewährleisten.
Aussaat mit Flugzeugen oder vom Boden aus mithilfe von Generatoren
Das Cloud Seeding erfolgt unter anderem mithilfe von Flugzeugen. Je nachdem, in welchem Bereich der Wolke das Material eingebracht wird, unterscheidet man das sogenannte Base-Seeding oder das On-Top-Seeding. Beim Base-Seeding wird der Impfstoff an der Unterseite der Wolke eingebracht und dann auf natürliche Weise durch Aufwinde oder Thermik verteilt. Beim On-Top-Seeding wird das Saatmittel über oder innerhalb der Wolke eingesetzt.
Speziell für die Aussaat von niedrig hängenden, kalten Wolken (z.B. in bergigem Gelände) können auch bodenbasierte Generatoren verwendet werden, um das Saatmittel wirtschaftlich einzusetzen.
Wissenschaftliche Expertise
Erforschung der Wolkenbildung mit modernster Lidar-Technik
Um die atmosphärischen Bedingungen rundum und zwischen den Wolken präziser zu erforschen, führt das IKON-Institut für Quantenphysik der Atmosphäre mit Forschungsflugzeugen laserbasierte Lidar-Messungen durch. Lidar (Abkürzung für light detection and ranging) ist eine dem Radar verwandte Methode zur Fernmessung atmosphärischer Parameter. Mit dieser Technik können kleinere Wolken erfasst und vor allem der Wasserdampf gemessen werden, der sie umgibt und damit maßgeblich ihr Wachstum und Verhalten beeinflusst. Auch feuchte Luftschichten über den Wolken wirken sich indirekt durch Strahlungseffekte auf die Wolkenbildung aus und werden vom Lidar genau erfasst.
Diese Messungen von Aerosolen und der mikrophysikalischen Wolkenstruktur dienen dazu, die Kopplungsprozesse von Wolken und Zirkulation besser zu verstehen. Die wechselseitige Beeinflussung von Wolken und Atmosphäre wird umfassender und detaillierter erfasst und dient als Grundlage für innovative Ansätze der Wettermodifikation.
Herzstück der Messkampagne ist das IKON Forschungsflugzeug mit einer geplanten Reichweite von über 8.000 Kilometern und einer oberen Einsatzhöhe von bis zu 15 Kilometern. Es wird mit einem umfangreichen Instrumentarium von modernen Fernerkundungssensoren (insbesondere Radar und Lidar) sowie einer Vorrichtung zum Abwerfen von Dropsonden ausgestattet. Daneben sollen die geplanten Cloud Seeding- und Hagelvermeidungs-Flugzeuge die Messungen unterstützen.
Forschungsschiffe für die Klimaforschung
Zusätzlich zu den Flugzeugmessungen kommen Forschungsschiffe zum Einsatz, von denen aus Atmosphären- und Ozeanbeobachtungen erfolgen. Hierfür werden etwa Radiosonden, Lidar- und Radar-Techniken sowie Ballon-Drachen und unbemannte Flugsysteme herangezogen. Die Bedingungen an der Meeresoberfläche sind wichtige Faktoren für die Entwicklung der darüber liegenden Atmosphäre und damit auch für die Wolkenbildung. Insbesondere in großen Wirbeln und an Frontalzonen soll die Kopplung von ozeanischen und atmosphärischen Prozessen besser erforscht und für die Modellsimulation darstellbar gemacht.
Ein an Land stationiertes, flexibel steuerbares Wetterradar erfasst zudem die Niederschlagsentwicklung mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung in einem Bereich von bis zu 250 Kilometern. Die Messungen von den Schiffen und entlang der Flugwege können damit in den räumlichen und zeitlichen Zusammenhang der großräumigen Niederschlagsverteilung und Entwicklung gebracht werden.
Institut für Quantenphysik der Atmosphäre
Das IKON Institut für Quantenphysik der Atmopshäre erforscht die Physik und die Chemie der Atmosphäre vom Erdboden bis in die Stratosphäre. Die Kenntnis der dort ablaufenden dynamischen, wolkenphysikalischen und chemischen Prozesse ist Grundlage für vielfältige Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt. Sowohl auf regionaler wie auf der globalen Skala werden die maßgeblichen Mechanismen und Veränderungen in der Atmosphäre mit Fernerkundung, Messflugzeugen und Rechenmodellen quantifiziert und systematisch untersucht.